Liebe Rohkostfreunde,
ganz herzliche Grüße an Euch alle aus Südamerika.
Ich habe mich vor 6 Wochen von der wunderschönen Karibik verabschiedet, den kleinen Hüpfer von Grenada hierher gemacht und bin gut in Guyana angekommen. Guyana ist ganz oben rechts😉 in Südamerika und hat Venezuela, Surinam und Brasilien als seine unmittelbaren Nachbarn. Wild und unberührt ist es hier! 90 % der Bevölkerung lebt in der Hautptstadt Georgetown und entlang einem dünnen Atlantik- Küstenstreifen westlich und östlich davon. Der Rest des Landes ist weitgehend unbewohnt und bedeckt von dichtem tropischem Regenwald, wovon 70 % gänzlich unberührt ist - einzigartig in ganz Südamerika.
Gelandet bin ich an einem weiteren wunderschönen und interessanten Ort, dem Pandama Retreat and Winery. Es liegt etwa 50 Minuten von Georgetown entfernt mitten im dichten Busch, weit weg von dem Stadtleben, mit Solarstrom in nur einem Haus und ganz ohne Internet - was für eine Zeitlang richtig angenehm ist!
Warren und Tracy haben vor 9 Jahren ihren Traum erfüllt und sind von North-Carolina in den USA nach Guyana, Warren´s Heimatland gezogen, um dem Stress zu entfliehen, hier ein Zentrum für Kunst und eine “winery” zu etablieren und um ganz im Einklang mit der Natur zu leben. Tracy ist in New York City aufgewachsen und durch und durch Künstlerin! Alles was sie macht, ist durchwoben von ihrer künstlerischen Ader, sei es “tie-dye”, Schmuckherstellung, Malerei auf Naturmaterialien und Textilien, Siebdruck, Seifenherstellung oder wenn sie in der Küche köstliche Gerichte für ihre Gäste zaubert.
Warren´s Passion ist seit jeher die Weinherstellung. Er hat diese Kunst von seinem Großvater gelernt und sie in vielen Jahren perfektioniert. Gerne experimentiert er mit immer neuen Früchten und Kombinationen. Seine Weine haben schon viele Preise gewonnen und sind wohlbekannt.
Menschen aus ganz Guyana kommen hierher zur Weinprobe, um Tracy´s berühmte Küche zu genießen, zu schwimmen oder auch um in den Holzhütten oder auf dem Campingplatz zu übernachten.
Hier sind einige Eindrücke vom Pandama Retreat:
Mein kleines Holzschlösschen im Busch. Hier habe ich die ersten 5 Wochen gewohnt. Wunderbar schläft es sich in der absoluten Ruhe! Morgens wird man von den Äffchen geweckt, die sich von Baum zu Baum schwingen - wie Tarzan 😊. Um 18:30, wenn es dunkel wird, heißt es “Gute Nacht” und um 6:00 Uhr, wenn es wieder hell wird, “Frisch aus den Federn, auf in einen neuen Tag”.😉
Jetzt bin ich in eines der Haupthäuser umgezogen und wohne nun hier:
Der Affirmations-Weg:
Das Herzstück des Zentrums ist ganz klar die “blackwater creek”. Warren und Tracy haben den kleinen Fluss/Bach, der durch ihr Grundstück fließt, geöffnet und einen herrlichen, natürlichen Swimmingpool daraus gemacht. Das “schwarze” Wasser entsteht in den langsam fließenden Bächen/Flüssen wenn sich die Vegetation an den Ufern zersetzt und Tannine in das Wasser entlässt. Das Wasser hier in Pandama ist ganz dunkel. Es ist fast, als ob man in Schwarztee schwimmt😊. Dieses Wasser mit seinen Tanninen ist sehr weich und gut für die Haut, sowohl ideal für die Weinherstellung. Wir trinken auch das Wasser aus dem Bach. Es ist sehr sauber und schmeckt frisch und gut.
Das Schwarzwasser ergibt einen perfekten Spiegel. Links im Bild seht ihr die Pandama-Büsche, die dem Zentrum seinen Namen gegeben haben.
Ihr fragt Euch bestimmt, warum ich als Nicht-Alkohol-Trinker mir eine “winery” als nächsten Einsatzort ausgewählt habe 😉. Ich kann mich zwar nicht für die Weine begeistern, aber dafür, was man in einem weiteren Schritt daraus machen kann, nämlich köstliche Gourmet-Fruchtessige, mit denen man fantastisch in der Rohkostküche kreieren kann. Es benötigt nur einen einzigen weiteren Fermentationschritt. Dies alles möchte ich Euch heute einmal zeigen.
Der erste Schritt ist die Herstellung einer alkoholischen Flüssigkeit, in diesem Falle Wein. Wenn man sich in Büchern und im Internet über die Weinherstellung informiert, bekommt man rasch den Eindruck, dass es ein recht komplizierter Prozess ist, bei dem man außerdem auch noch jede Menge verschiedene Ausrüstung benötigt. Dem ist aber gar nicht so! Wein herzustellen ist eigentlich ganz einfach und Warren arbeitet hier mit einfachsten Mitteln sehr erfolgreich. Als erstes brauchen wir eine Frucht, auch Gemüse, Wurzel, Rinden, Reis - alles, was gut fermentiert. Warren stellt je nach Verfügbarkeit unter anderem Weine aus den folgenden Früchten her:
Ananas
Mango
Antidesma - eine dunkel-lila Wildbeere, erinnert von der Farbe und vom Geschmack her an Brombeeren - den Wein daraus nennt er “Aunty Desma”
Aubergine
Soursop - die Stachelannone
Limette
Scharfer Pfeffer
Jamun oder Jamoon - auch Java Pflaume genannt
Carambola - Sternfrucht
Maracuja
Malacca Pear - auch Guyanese Cashew genannt, lila, große, birnenförmige Frucht
Sorrel - rote Hibiskus-Blüten
Cashew - die Frucht, nicht die Cashewkerne werden fermentiert
Sarsaparilla - die Wurzel einer Schlingpflanze
Kirsche
Pflaume
Noni
Brotfrucht
Papaya
Außerdem produziert er:
Piwari (ein traditioneller Wein hier in Guyana aus fermentierter Cassava and Süßkartoffel)
Met - Honig Wein
Sake - Reiswein
Rosé - ein Mischung aus einem der Rotweine mit einem Weißwein z.B. Aunty Desma und Carambola
Herbal Cleanser - einen bitteren Kräuterwein, der die Verdauung unterstützt, die Leber und das Blut reinigt - aus Sand Bitters, Uraballi und Ingwer
Sowie seinen absoluten Spitzenreiter:
Pulse Tonic Wine - das 7 Rinde-Wunder - libido-stimulierend, tonifizierend, das pflanzliche Wein-Viagra!
Die Früchte werden gewaschen und in das Gärgefäß gegeben. Warren benutzt spezielle lebensmittelechte Plastikfässer für die Weinherstellung. Holzfässer sind hier leider nicht praktikabel. Die Ameisen verwandeln alles in kürzester Zeit zu Staub!
Dann gibt man ein wenig Kaliumsorbat dazu und bedeckt das Ganze mit Wasser. Dies “desinfiziert” die Früchte und verhindert, dass nachher nichtgewünschte Organismen an die Fermentations-Arbeit gehen.
Als nächste Zutat kommt Zucker dazu, denn unsere Hefepilze und -enzyme, die nachher kräftig arbeiten müssen, lieben vor allem eines - Zucker. So wollen wir sie großzügig füttern. Guyana hat eine lange Geschichte der Zuckerherstellung, so dass es einfach ist, ihn in großen Mengen günstig zu bekommen. Der gefragte Demerara-Zucker macht 28 % aller Export-Einkünfte des Landes aus.
Auf eine 120 Liter Tonne kommen 50 kg Zucker, ein ganzer Sack, der gut vermischt wird.
Nun wird alles mit Wasser aufgefüllt. Hier haben wir Limetten angesetzt:
Und hier Aunty Desma:
Zum Schluß kommen die fleißigen Arbeiter, unsere Hefepilze, dazu. Warren benutzt Weinhefe, man kann auch sog. Reinzuchthefe verwenden.
Es kommen etwa 9 EL in ein volles Fass. Die Hefe wird nicht mehr untergerührt, sondern bleibt auf der Oberfläche.
Hier ein Maracujaansatz mit Hefe:
Nun wird das Fass mit einem Gazetuch abgedeckt und die Hefepilze gehen umgehend an die Arbeit.
Brotfruchtansatz mit aktiven Hefepilzen:
Nun hat man ja im Chemieunterricht für eine alkoholische Gärung folgende Formel gelernt: Hefepilze wandeln Zucker unter Ausschluss von Sauerstoff in Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid um. Also, dass es sich um eine anaerobe Fermentation handelt. Unsere Fässer sind aber alle nicht luftdicht abgeschlossen, sondern nur mit einem Gazetuch abgedeckt. Sauerstoff kann also auf alle Fälle eindringen (und Kohlendioxid entweichen) - und die Fermentation funktioniert trotzdem einwandfrei! Ein weiteres Dogma in meinem Leben, das ich über den Haufen werfen muss :-). Wenn in der Natur Früchte von den Bäumen fallen und Hefepilze ans Werk gehen und den Zucker zu Alkohol umwandeln ist ja auch Sauerstoff zugegen!
Man braucht sich also keine teure Ausrüstung mit Verschluss und “Gluckser” (ein Gäraufsatz, der anstatt eines Schraubdeckels auf einem Gärgefäß angebracht und mit Wasser gefüllt wird, so dass das Kohlendioxid entweichen aber keine Luft von außen eindringen kann) anschaffen - eine einfache Stoffwindel genügt 😉.
Dieser Fermentationsvorgang dauert etwa drei Wochen hier bei diesen warmen Temperaturen, dann werden die Früchte abgeschöpft und der Wein von Partikeln geklärt. Nun wird das Fass verschossen, damit der fertige Wein nicht oxidiert. Er reift dann noch weiter und das Aroma wir abgerundet.
Im Wein”keller” duftet es fantastisch! Wenn man dort hineinkommt, weht einem ein ganzes Bouquet von verschiedenen Fruchtaromen entgegen. Mmmhhh! 😍
Wenn der Wein fertiggereift ist, kann er in Flaschen abgefüllt werden.
Warren recycelt alle Flaschen, regelmäßig kommen Säcke mit gebrauchten Flaschen hier in Pandama an, die dann gereinigt und wieder befüllt werden.
Nun werden die Flaschen verkorkt. Dies hier ist eine Korkmaschine. Man stellt die Flasche ein, oben in das Loch kommt ein Korken. Wenn man nun den Hebel herunterdrückt, wird der Korken komprimiert und in den Flaschenhals gedrückt - fertig!
Im nächsten Schritt werden die gefüllten Flaschen versiegelt. Das sieht dann schon gleich edler aus! Die Siegel werden auf den Flaschenhals gesetzt und anschließend in sehr heißes Wasser getaucht. So schmiegt sich das Siegel glatt um den Flaschenhals.
Zum Schluss werden die Flaschen etikettiert und schon sind sie fertig zum Verkauf.
Jeder Weinliebhaber wäre jetzt glücklich und genießt das fertige Produkt! Für mich wird es aber jetzt erst spannend. Nun wollen wird doch aus diesen verschiedenen Weinen Fruchtessige machen. Dazu ist eine zweite Fermentation nötig. Bei dieser heißt es nun: alkoholische Flüssigkeit (Wein) + Essigsäurebakterien + Sauerstoff = Essigsäure (Essig)
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Essigsäurebakterien in den Wein zu bekommen:
Man lässt den Wein einfach offen stehen (mit einem feinen Gazetuch oder einem Nussmilchsäckchen verschlossen, damit keine Essigfliegen eindringen können). Es sind meist genug Essigsäurebakterien in der Luft, die von ganz alleine ihren Weg in den Wein finden.
Man gibt dem Wein ein wenig fertigen Apfelessig, samt ein wenig des Bodensatzes, den man in jeder guten Flasche Apfelessig findet, dazu. Dies ist die Essigmutter.
Man züchtet sich selbst eine Essigmutter. Dazu nimmt man 100 ml unpasteurisierten Bio-Apfelessig, 100 ml Wasser und 1 EL Bio-Honig. Man gibt alle Zutaten in ein Glas und vermischt sie miteinander. Nun wird das Glas mit einem feinen Gazetuch oder Nussmilchsäckchen verschlossen und an einen warmen Ort (um die 23° C) gestellt. Nach etwa 2 Wochen bilden sich die ersten Schlieren. Dies ist der Beginn der Essigmutter. Man wartet nun bis sich ein quallenähnliches Gebilde geformt hat. Dies ist die fertige Essigmutter, die aus Essigsäurebakterien und Zellulose besteht. Mit ihr kann man beliebig oft Weine beimpfen und daraus Essig machen.
Hier ist mein Versuch mit den verschiedenen fertigen Weinen.
Schon nach einer Woche hatte sich auf mehreren Gläsern eine Essigmutter gebildet und nach 2 Wochen hatte ich schon den ersten fertigen Essig - Limettenessig - sehr lecker!
Hier habe ich ein solche Essigmutter von einem Glas abgenommen. Diese kann man nun einfach wieder in Wein geben und sie macht ihre Arbeit zuverlässig weiter.
Diese zweite Fermentation kann je nach Menge und Temperatur von 2 Wochen bis zu einigen Monaten dauern. Die verschiedenen Weine fermentierten unterschiedlich zu Essig, aber nach 3 Wochen waren alle sauer😊.
Nach und nach habe ich alle Essige geernet und in der Küche in frischen Salaten verwendet. Ich hatte leckeren Limetten-Essig, Aunty Desma-Essig, Jamoon-Essig, Carambola-Essig, Soursop-Essig, Auberginen-Essig und Ananas-Essig.
Ein wenig von diesem Fruchtessig mit gekühltem Wasser verdünnt, ergibt ein köstliches und erfrischendes Getränk, gerade hier bei diesen Temperaturen - viel besser als ein süßes Saftgetränk.
Ihr seht also, es ist ganz einfach, seinen eigenen Fruchtessig herzustellen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Probiert es doch einfach einmal aus!
Ich bin im Moment “Haus- und Tier-Sitter” im Pandama Retreat, denn Warren und Tracy sind zu einem wohlverdienten Urlaub für zwei Wochen nach Surinam gereist. Nun habe ich den ganzen magischen Ort für mich alleine und genieße meine Einsamkeit im Paradies!! 3 Hunde, 3 Katzen, 2 Kaninchen und 2 Macaws sind meine reizenden und treuen Freunde hier.
Wenn Warren und Tracy nächste Woche wieder zurückkommen, werde ich mich auf den Weg überland nach Brasilien machen. Das wird sicher recht abenteuerlich und ich hoffe, dass es in den nächsten Tagen nicht so viel regnet (Wir sind immer noch in der Regenzeit), denn ab hier gibt es keine geteerten Straßen mehr!
Ich werde dann die nächsten 3 Monate in einem Ökodorf mit Permakultur im Nord-Osten von Brasilien verbringen. Von dort melde ich mich dann wieder.
Ich wünsche Euch allen viel Spaß beim Essigmachen 😊, einen schönen Herbstanfang und sende Euch sonnige Grüße aus dem wilden Guyana.
Zwei meiner derzeitigen Mitbewohner sagen auch “Hallo!”.
Gisela 😀
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