
Liebe Rohkost-Freunde,
herzliche Grüße aus dem sonnenverwöhnten, temperamentvollen Brasilien!
Wenn man von Guyana nach Brasilien überland reisen möchte, gibt es nur eine einzige “Straße”, die diesen Namen kaum verdient hat. Von Georgetown führt der mit Schlag- und Schlammlöchern gespickte Transportweg zur Grenze nach Lethem. Wenn dann auch noch gerade Regenzeit ist, gestaltet sich die Fahrt ganz besonders unterhaltsam! Unser Busfahrer hat einen 17-stündigen Slalom hingelegt, um all den Hindernissen auszuweichen und ich habe mich wirklich gefragt, wie man “diese Staße hin- und zurückfahren” als Beruf wählen kann 😲. Garantieren kann einem keiner, ob man auch wirklich ankommt. Der zweite Bus, der mit uns gestartet ist, hat es leider nicht geschafft und ist in einem Schlammloch stecken geblieben.

Ich war heilfroh, als ich an der brasilianischen Grenze angekommen war - zurück in der Zivilisation mit geteerten Straßen, modernen Reisebussen und ATMs in allen Städten 😉.
Von Boa Vista ging es mit dem Bus nach Manaus, der quirligen Stadt mitten im Amazonasgebiet. Dort hat man eine fantastische Auswahl an Früchten und auch Paranüsse kann man frisch geschält überall bekommen. Diese heißen übrigens so, weil sie aus dem Bundesstaat Pará hier im Amazonasgebiet kommen.

Im ganzen Amazonasgebiet ist das Transportmittel der Wahl das Schiff. Also habe ich mir eine Hängematte zugelegt und bin an Bord der “Anna Catherina” gegangen, um langsam und gemächlich 5 Tage und 4 Nächte lang den mächtigen Amazonas flussabwärts nach Belém zu schippern.


Obwohl meist etwa 200 Personen auf solch einem Schiff sind, geht es sehr ruhig, geordnet und rücksichtsvoll zu. Man “hängt” ja auch gedrängt wie die Sardinen in den Hängematten, jedoch schaut jeder, dass alle genug Platz haben und gut schlafen können.
Wie eine Meditation ist es, langsam dem Flusslauf zu folgen. Es entschleunigt und entspannt und man hat jede Menge Zeit zum Lesen und zum Nachdenken 😊. Der gigantische Amazonas ist an manchen Stellen bis zu 20 km breit. Fast fühlt es sich an, als ob man auf dem Meer unterwegs sei.

Dann biegt das Schiff aber immer wieder in kleine, enge Flussarme ab, um Siedlungen und Dörfer zu beliefern und um weitere Passagiere und Fracht an Bord zu nehmen.



Selbst das Amazonasgebiet ist fest in den Händen von Coca-Cola!

Wenn wir in Reichweite eines Dorfes waren, habe ich immer nach den Händlern mit den lila Säckchen Ausschau gehalten. Dort ist nämlich etwas ganz Feines drin - nämlich Açaí-Püree pur! Die Beere mit dem angeblich höchsten Gehalt an Antioxidantien, Vitaminen und Mineralien. Die Menschen dort lieben ihr Açaí und essen es gerne zu Fisch und Krabben. Açaí schmeckt köstlich und ist unglaublich sättigend. Wenn man solch ein Säckchen gegessen/getrunken hat, hat man den ganzen Tag über keinen Hunger mehr! Açaí-Palmen (Kohlpalmen auf Deutsch😊) wachsen in Hülle und Fülle an den Flussufern - siehe vier Bilder weiter oben!


Auch auf einer Amazonas-Schiffsreise sollte man seine Nüsse über Nacht einweichen !!

Meine Hängematten-Nachbarn 😊.

Nach fünf Tagen Ruhe und Einsamkeit kommt die Großstadt Belém in Sicht!

Von Belém ging es dann per Bus zu meinem nächsten Ziel, dem Ökodorf “Flecha da Mata” im Nord-Osten Brasiliens, bei Fortaleza im Bundesstaat Ceará - dem Staat des ewigen Windes 😀.

Hier bin ich nun seit 8 Wochen. Wunderschön ist die Gegend, aber ganz schön heiß, jeden Tag gut über 40°C ! Am frühen Nachmittag klettert das Thermometer regelmäßig auf 45° - 47° C. Man muss sich seine Kräfte gut einteilen. Perfekt ist solch eine kraftvolle Sonne natürlich, um alles Mögliche zu trockenen und zu erwärmen. Morgens kommen die Nussbällchen in die Sonne und zum Mittagessen um 13:00 Uhr sind sie perfekt. Auch Rohkostbrot, -cracker usw. trocknen in Nullkommanichts! Viel, viel schneller als Zuhause in meinen Dehydratoren und dazu noch gratis! Ein Traum für alle Rohköstler!
Hier sind einige Eindrücke von Flecha da Mata:




Vor 7 Jahren haben Fabio und seine Frau Anna mit der Hilfe von vielen Freunden und Freiwilligen hier begonnen, ein Ökodorf entstehen zu lassen. Alle Gebäude sind in Bio-Konstruktionsweisen selbst gebaut worden. Zwei biologische Gärten gibt es, die nach und nach immer mehr Nahrung schenken. Das Ökodorf grenzt direkt an eine Lagune. Mein Morgensport besteht täglich aus einer ausgedehnten Kanufahrt zweimal um die Lagune herum. Das ist herrlich um 5:30 Uhr morgens, wenn alles noch absolut windstill ist und man jede Menge wunderschöner Vögel an den Ufern beobachten kann.
Ich bin gerade rechtzeitig angekommen, um an einer sehr eindrucksvollen Ayahuasca-Zeremonie mit fünf Schamanen des Yawanwá-Stammes aus dem Amazonasgebiet teilzunehmen.

Zur Zeit regnet es täglich jede Menge Cashews von den Bäumen! So sieht ein Cashew-Apfel mit dem dazugehörigen Cashew-Kern aus:

Drei solcher Schalen voll sammeln wir jeden Tag.

Wir kennen in unsren Breitengraden eigentlich nur die Cashew-Kerne, da der Cashew-Apfel (Frucht) sehr empfindlich ist und nicht transportiert werden kann. Schon wenige Stunden nach der Ernte fängt das Fruchtfleisch an zu fermentieren. Deshalb muss alles unverzüglich weiterverarbeitet werden. Aus den Cashew-Äpfeln mache ich täglich frischen Saft, der unglaublich lecker und erfrischend ist. Er ist süß, ein wenig sauer und adstringierend und voller Vitamine, besonders Vitamin C. Dazu kommen die ganzen Früchte in den Mixer und werden danach durch ein Nussmilchsäckchen gepresst. Das “Cashew-Fleisch”, das übrig bleibt, lässt sich gut als “Fleischersatz” verwenden, fast so wie die Jackfruit, die jetzt groß in Mode gekommen ist. Meine “Kochkollegen” in der Küche experimentieren fleißig damit und erfinden immer neue Zubereitungsmethoden.


Ich habe als Rohkostvarianten Cashew-Bananenbrot und Cashewfrucht-Mehl produziert.
Die Cashew-Kerne werden in den Schalen getrocknet.

Ja, und dann beginnt die schwierige Arbeit die Kerne aus den Schalen zu bekommen! Zwischen der Schale und dem Kern ist nämlich die toxische Anacardsäure, die schwere allergische Hautausschläge und -reizungen verursachen kann. Deshalb werden sie in der Regel mit Dampf behandelt oder geröstet, dann können die Schalen geöffnet und die Kerne herausgeholt werden. Eine nach der anderen, alles in Handarbeit! Es ist sehr schwierig, Cashews in Rohkostqualität herzustellen und oft wird die Dampfbehandlung nicht erwähnt. Da ich die Cashewkerne eigentlich fast immer fermentiert verwende, ist dies aber auch nicht so schlimm.
Jede Menge neue Früchte kann ich in Brasilien entdecken. Dies hier ist Muricí, eine Beere, die nach Käse schmeckt und sich fantastisch in fermentiertem Erdnusskäse macht. Einfach nur lecker! Dagegen kann die Edelhefe einpacken 😂.

Außer in der Küche betätige ich mich fast täglich als “Bauarbeiterin” und lerne viel über Bio-Konstruktion. Alle Gebäude hier sind nämlich von den Bewohnern selbst, mit ausschließlich natürlichen Baustoffen wie Holz, Lehm, Sand, Bambus... errichtet worden. Wir arbeiten gerade an der Fertigstellung eines Bungalows. Die Grundstruktur ist aus Holz gebaut und wir konstruieren die Außenwände mit der “Hyperadobe-Bauweise”. Das sind Säcke, die mit einer Mischung aus Sand, Erde und Lehm gefüllt werden.

Anschließend wird alles fest und kompakt gestampft.

Es macht viel Spaß, sich sein Haus so selbst zu bauen und wenn viele Hände mithelfen, geht diese Bauweise auch recht schnell voran. Mit viel temperamentvoller brasilianischer Samba- und Bossa-Nova Musik und viel Lachen haben wir diese Wände in 3 Tagen hochgezogen.


Der “Domo”, das Herzstück des Ökodorfes, in dem Versammlungen, Meditationen, Konzerte, Yoga usw. stattfinden, ist in der gleichen Bauweise entstanden. Nur wurden hier größere Säcke verwendet.

Hier sind einige Details des Gebäudes. Es hat eine wunderbare Energie und ist immer angenehm kühl, wenn es draußen brütend heiß ist.

Nun arbeiten wir gerade an der Dusche. Diese wird mit “ecobricks” gebaut. Die stellen wir erst einmal her. Als erstes wird Ton, den wir aus der Lagune geholt haben, mit Wasser schön glatt getreten. Aufpassen, dass man nicht ausrutscht!

Dann kommen nach und nach fein gesiebter Sand, Pferdedung und Stroh dazu. So wird die Masse schon fester und das “work-out” immer intensiver😀.



Nun wird die Masse in die Formen gepresst. Erst halbvoll, dann kommt eine Bierflasche hinein und schließlich wird die Form ganz und kompakt befüllt. Die Bierflasche macht, dass die Bausteine leichter werden und man außerdem nicht so viel Baumaterial braucht.



Bei dieser Arbeit lernt man nicht nur natürliches Bauen, sondern auch ganz nebenbei die Biersorten hier in Brasilien kennen. Schaut einmal, wie eine ganz beliebte heißt 😊.

Nun werden die Bausteine sanft aus den Formen geklopft.
Voilá, hier sind unsere fertigen “ecobricks”.

Diese müssen nun etwa 10 Tage trocknen, dann sind sie hart wie Stein und einsatzbereit.



Auch mit Bambus lässt sich prima bauen. Dazu haben wir die Bambusstämme halbiert, mit einem “Flammenwerfer”😀verschönt und mit Öl behandelt! So kann man schnell schicke Wände daraus konstruieren.



Jeden Tag geht der Bau einem Stück weiter der Vollendung entgegen! Leider werde ich nicht mehr hier sein, um beim Verputzen der Wände innen und außen zu helfen.
Was sich hier im Ökodorf vor einigen Wochen abgespielt hat, war auf jeden Fall einem von Hollywood inszenierten Movie ebenbürtig!
Es war so gegen 17:00 Uhr, wenn es hier jeden Tag langsam dunkel wird, als ich die Glocke, die normalerweise immer zum Essen oder zu einer Versammlung ruft, wild läuten hörte. In der Küche angekommen hörte ich alle ganz aufgeregt und laut diskutieren. Pedro und zwei weitere Bewohner verkündeten ganz außer Atem, dass sie bei der Rückkehr ins Ökodorf einen Mann mit einer langen Machete und einem schwarzen Rucksack wegrennen sahen. Nun sollten alle schnellstens nachschauen, ob etwas fehlte. Als ich in meine Zeltbaracke kam, sah ich sofort, dass mein schwarzer Rucksack nicht mehr da war und mit ihm auch absolut alles Wichtige und Wertvolle - mein Reisepass, die Kreditkarten, das Bargeld, mein Computer, meine Kamera, mein I-pod. Einfach alles, alles weg von einer Minute auf die andere!! Alle sind sogleich ausgeschwärmt, um den Dieb vielleicht noch zu erwischen. Auch als es dunkel wurde, haben wir noch mindestens 1 1/2 Stunden mit Taschenlampen und Motorradlicht gesucht. Aber alles umsonst!!
Selbst die Polizei war schnell mit 3 Mann zur Stelle.
Es fühlt sich ganz schön unangenehm an, auf einmal mit nichts dazustehen! Aber irgendwie wollte ich diese neue Realität nicht akzeptieren. Es konnte doch wirklich einfach nicht wahr sein, dass ich nun hier mitten in Brasilien stehe und alles, aber auch wirklich alles, was man zum Reisen und Sein braucht, ist weg!!
Aber das Universum hilft doch immer, wenn man ihm nur gut zuredet😊.
Am nächsten Morgen kam ein junger Mann, Bibi, der hier im nahegelegenen Dorf wohnt, und uns bei den Bauarbeiten hilft. Die drei Jungs hatten ja den Rucksackdieb gesehen und beschrieben ihn. Bibi meinte sofort, er könne sich lebhaft vorstellen, wer dies gewesen sein könnte. Ein drogenabhängiger Mann, der öfters auf Klautouren geht. Er erklärte sich bereit, mit seinem Freund zum Haus des potentiellen Diebes zu gehen. Ich gab ihm die Nachricht mit, dass der Rucksackdieb das Bargeld behalten könnte, vorausgesetzt er rückt denselbigen mit allen anderen Sachen vollständig und komplett heraus! Nun, was soll ich Euch sagen! Etwa 40 Minuten später kamen die beiden zurück und Bibi,mein Held,hatte meinen Rucksack über seiner Schulter. Ich überprüfte sofort den Inhalt und wahrlich, alles war komplett in dem Rucksack, außer dem Bargeld. Wow! Da bin ich noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen und das Leben konnte von einer Minute auf die andere wieder normal weitergehen!! Danke, liebes Universum😍❤️!
Neben all der Arbeit und der Aufregung hatte ich aber auch noch jede Menge um viel, frische, leckere Rohkost zuzubereiten und sie mit meinen Mitbewohnern zu teilen. Für alle war es eine wahre Offenbahrung, wie lecker gesundes Essen schmecken kann.
Zwei Rohkost-Kurse habe ich auch gehalten und den Brasilianern gezeigt, welche Roh-Köstlichkeiten sie mit ihren vielen tollen Gemüse- und Fruchtarten zaubern können. Alle waren mit Begeisterung dabei und wir hatten viel Spaß und haben es uns ordentlich schmecken lassen. Die Brasilianer sind ein sonniges, humorvolles Volk und hatten viel Freude ganz etwas Neues zu lernen. Wie beim Universum bestellt, kam auch eine Woche vor den Kursen ein neuer, junger, polyglotter Freiwilliger im Ökodorf an, der alle Kurse perfekt vom Englischen ins Portugiesische übersetzt hat. Danke Guillerme!
Hier sind einige Eindrücke von den Kursen. Einfach auf die Bilder klicken!
Hier in Brasilien gibt es noch viel zu entdecken und lernen. Das Land ist riesig! Leider bekommen Europäer nur ein 3-monatiges Visum, das nicht verlängerbar ist. So muss ich erst einmal ausreisen und einige Monate außer Land bleiben. Ich hatte mir erst überlegt, nach Uruguay zu gehen, aber das Universum hatte einen anderen Vorschlag 😊. Mich hat nämlich auf einer der Housesitting-Webseiten, bei denen ich Mitglied bin, ein Hausbesitzer aus Argentinien angeschrieben und gefragt, ob ich seine super Luxus-Lodge hoch in den argentinischen Anden für einige Monate hüten möchte! Als ich die Photos gesehen habe, habe ich sofort zugesagt und so werde ich mich am 10. Dezember auf die Reise nach Argentinien begeben, um den Sommer in den Bergen zu verbringen. Nach all den Traum-Inseln, Meer und Stränden wird dies eine nette Abwechslung in der Landschaft sein!
Von dort melde ich mich dann wieder!
Ich wünsche Euch allen einen schönen Winter, herrlichen weißen Schnee, blauen Himmel und einen guten Jahresabschluss.
Herzliche und sehr sonnige Grüße
Gisela ❤️

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